Die heute veröffentlichten Zahlen der Kita-Studie der Bertelsmann-Stiftung sehen Baden-Württemberg bei einem der wichtigsten Indikatoren für Qualität,der Fachkraftquote pro Einrichtung,mit 70,2 Prozent an der Spitze der fünf schlechtesten Bundesländer und unter dem Bundesschnitt. Spitzenreiter ist Thüringen mit 94,3 Prozent. Mit dem Erprobungsparagrafen befürchtet ver.di Baden-Württemberg,dass sich nicht nur der negative Trend der letzten Jahre fortsetzt,sondern einem regelrechten Absturz der Fachkraftquote Tür und Tor geöffnet wurde. Das hat bereits jetzt gravierende Konsequenzen für die tägliche Arbeit und die Betreuung der Kinder: Die Zahlen der Strafanzeigen wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht steigen bereits.
Hanna Binder,stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Bisher ging es darum,dass unsere Einrichtungen immer mehr Schwierigkeiten haben,dem Anspruch an frühkindliche Bildung gerecht zu werden. Inzwischen ist immer häufiger auch das Kindeswohl gefährdet. Mit dem Erprobungsparagrafen droht in vielen Einrichtungen eine Fachkraftquote von unter 50 Prozent. Die Überlastung der Beschäftigten wird so flächendeckend chronisch. Die wertvollen und wichtigen Berufe verlieren weiter an Attraktivität. Damit ist die bereits bestehende Fachkräftelücke dauerhaft nicht zu schließen. Es droht eine Spirale der Qualität nach unten.“
Die Zahlen der Studie belegen einen großen Unterschied innerhalb von Baden-Württemberg.
Nancy Hehl,ver.di Spezialistin für frühkindliche Bildung: „Wir befürchten immer größere regionale Unterschiede in der Qualität der Angebote,die durch die dramatische Finanzsituation der Kommunen weiter verschärft werden. Frühkindliche Bildung darf nicht vom Wohnort der Eltern abhängen.“
Die Fachkraftquote pro Einrichtung ist für ver.di Baden-Württemberg einer der wichtigsten Indikatoren für die Qualität des Systems Kita.
Hehl: „Auch bei der Fachkraft-Kind-Relation steht Baden-Württemberg deutlich schlechter da,als es die Zahlen bei der Personalbemessung im bundesweiten Vergleich suggerieren: Weil diese Zahlen den tatsächlichen Personaleinsatz über die gesamten Öffnungszeiten hinweg nicht widerspiegeln.“
Bundesweite Pressemeldung:
Berlin,30. September 2025
Politik setzt Qualität der Kitas aufs Spiel
Die heute veröffentlichte Kita-Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt die von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) seit Jahren kritisierte Entwicklung in Kindertagesstätten hin zu einer Deprofessionalisierung – also dem Einsatz von immer mehr nicht ausreichend qualifiziertem Personal,mit dramatischen Folgen für die Qualität der pädagogischen Arbeit. Die Untersuchung „Prekäre Professionalität? Regionale Disparitäten in den Fachkraft-Quoten von KiTa-Teams“ zeigt starke Unterschiede in der Verteilung dieser Problematik im ganzen Land. Sie bestätigt zugleich den fatalen Trend,dass viele Kommunen aus schierer Finanznot immer weniger ausgebildete Fachkräfte – dazu zählen insbesondere Erzieher und Erzieherinnen sowie Sozialpädagogen und -pädagoginnen – in den Kitas beschäftigen und stattdessen auf geringer qualifizierte Mitarbeitende zurückgreifen,um Betreuungsquoten lediglich nominell zu erfüllen.
Christine Behle,stellvertretende ver.di-Vorsitzende: „Gerade die unterschiedliche regionale Verteilung zeigt,wie stark der Einsatz qualifizierter Fachkräfte von der jeweiligen Kassenlage der Kommunen abhängt. Es darf aber nicht sein,dass Strukturprobleme zu Lasten der Kinder und der Beschäftigten gehen.“
ver.di hatte zuletzt Mitte September mit einer bundesweiten Aktion auf das Systemversagen in der Kinder- und Jugendhilfe,zu der auch die Kindertagesstätten zählen,aufmerksam gemacht. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus zwölf Bundesländern stellten ihre Forderungen an die Landes- und an den Bundesfinanzminister vor: Dazu zählen eine auskömmliche und nachhaltige Finanzierung durch Bund und Länder ebenso wie eine Ausbildungsoffensive für Fachkräfte und die Einrichtung eines Fonds zum Ausbau von Kinder- und Jugendeinrichtungen. Auch einen sofortigen Stopp des Trends zur Deprofessionalisierung fordert die Gewerkschaft.
„Personalmangel,Überlastung und Fluktuation wirken sich direkt auf Kinder,Eltern und Beschäftigte in den Kitas aus“,sagte ver.di-Vize Christine Behle. „Wir brauchen endlich Lösungen statt weiter den Ressourcenmangel zu verwalten. Es muss aufhören,dass sich Bund,Länder und Kommunen gegenseitig die Verantwortung zuschieben.“
Die Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe sind aufgrund multipler Krisenlagen in der Gesellschaft mehr denn je gefordert und brauchen,um reflektiert und angemessen handeln zu können,ein hohes Maß an Qualifikation. Die Herausforderungen zeigen sich auch in den Kitas zunehmend durch kindliches Verhalten,das viel Aufmerksamkeit und Professionalität erfordert. Dies belegen die Ergebnisse der aktuellen gemeinsamen Studie von ver.di und der Hochschule Fulda (siehe Link unten) zu verletzendem Verhalten in Kindertagesstätten: Gerade unter Kindern kommt verletzendes Verhalten in verschiedenen Dimensionen vor,und es gelingt dem überforderten,oft nicht ausreichend qualifiziertem Personal immer weniger,durch gezieltes pädagogisches Handeln die Situationen zu entschärfen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Eine weitere Absenkung von Fachkraftquoten würde diese Entwicklungen noch verstärken.
Mehr Informationen zur Aktion: https://oeffentliche-private-dienste.verdi.de/mein-arbeitsplatz/sozialarbeit/++co++ca5ff7e2-2b3d-11f0-bf75-e936c1faecd3
Die Pressemitteilung vom 12. September 2025: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++0350aaa4-8e46-11f0-9322-c9c76204a827
Die Studienergebnisse der Hochschule Fulda und ver.di zu verletzendem Verhalten in der Kinder- und Jugendhilfe stehen hier: https://oeffentliche-private-dienste.verdi.de/mein-arbeitsplatz/++co++f431e6a8-7408-11ef-8cd7-81d93161580d
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg