Arbeiterwohlfahrt (AWO),Caritas,Diakonie,Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und der Paritätische – sie bilden die Liga der freien Wohlfahrtspflege und sehen sich als Interessenvertretungen all der Menschen,die sonst kein Gehör finden. Normalerweise hätten die Akteure im Herbst zu ihrem Fachtag eingeladen,der sich regelmäßig mit aktuellen sozialpolitischen Fragen beschäftigt. In diesem Jahr fällt er aus. Zu drängend sind die Fragen,die sich durch die Pläne von Landrat Markus Möller,unterschiedliche Unterstützungsangebote nicht weiter zu finanzieren,auftun.

Die Fassungslosigkeit über den Sozialabbau ist fast mit Händen zu greifen. „In den vergangenen Jahrzehnten haben wir immer kooperativ und vertrauensvoll mit der Landkreisverwaltung zusammengearbeitet. Die Fachleute dort wissen,dass unsere Präventionsangebote wesentlich günstiger sind als eine teure Jugendhilfemaßnahme oder andere Pflichtleistungen“,stellt Sascha Lutz,der Geschäftsführer der Diakonischen Bezirksstelle Geislingen-Göppingen fest. Seine Kollegin Sonja Elser (AWO) ist entsetzt darüber,dass „wir Träger vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wir werden nicht mitgenommen.“
Sollte der Kreistag Mitte Dezember tatsächlich die Streichung der Mittel beschließen,blieben gerade einmal drei Wochen,um Beratungsstellen zu schließen,Mitarbeitende zu versetzen und vor allem den tausenden Klientinnen und Klienten zu sagen,dass sie nicht mehr auf Hilfe und Beistand hoffen können.
„Erste Klienten rufen bereits an,ob es für 2026 überhaupt noch Termine gebe“,weiß Franz-Xaver Baur (Caritas). Denn für alle Träger steht fest,dass sie ohne die finanzielle Unterstützung des Landkreises die betroffenen Angebote nicht selbst finanzieren können. „Fällt ein Angebot weg,hat dies einen Dominoeffekt“,weiß Elser. „Viele Hilfeangebote finden trägerübergreifend statt. Wir haben den ganzheitlichen Blick auf unsere Klienten.“ Wie etwa bei der Staufen Arbeits- und Beschäftigungs-Gesellschaft „Es werden Arbeitssuchende nicht nur auf den ersten Arbeitsmarkt begleitet. Wir wissen,wo die Ansprechpartner sind bei Sucht- oder Wohnungsfragen,wenn es Probleme in der Familie gibt. Können wir nicht mehr vermitteln,hat dies verheerende Folgen,auch finanzielle für den Landkreis“,weiß Karin Woyta (PARITÄTISCHER ). Sie und Elser appellieren an die Verantwortung der Kreisräte. „Sie entscheiden über Lebensläufe und Biografien.“
Alle unsere Angebote sind mit Sinn und Verstand entstanden.
Sonja Elser,Geschäftsführerin AWO
Lutz fragt sich,ob den Entscheidungsträgern eigentlich bewusst sei,dass sie über freiwillige Pflichtaufgaben als gesetzlich verbriefter Daseinsvorsorge diskutieren. „Bislang übernehmen die die qualifizierten Träger. Künftig MÜSSEN die dann von der Landkreisverwaltung oder den einzelnen Kommunen geleistet werden.“ Und zwar zu 100 Prozent und anteilig wie bisher bei den Beratungsstellen. Schwierig würde es bei der Schulsozialarbeit. Er befürchtet ein Bürokratiemonster. Wer auch auswärtigen Schülern Schulsozialarbeit zugutekommen lässt,wird die Kosten dafür weitergeben müssen.“ „Das bedeutet aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen höheren Aufwand und verursacht weitere Kosten“,bekräftigt Baur. Und gefährde „die Solidarität der Gemeinden untereinander total“,ergänzt Lutz. Er frage sich zwischenzeitlich,„wie sozial will der Landkreis eigentlich noch ist“. Elser verweist auf einen weiteren Aspekt: „Was geschieht mit unseren Mitarbeitenden? Sie sind nicht nur in Sorge um die Klienten,sondern auch um ihre eigene Zukunft.“ Die Annahme,dass Aufgaben künftig von Ehrenamtlichen übernommen werden können,sei geradezu naiv. „In allen unseren Verbänden engagieren sich Ehrenamtliche. Und sie alle werden von Hauptamtlichen begleitet. Nur so funktioniert das Konzept.“ Wie etwa bei den Familientreffs. Dass die wertvolle präventive Arbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen für die Familien des Landkreises von Kreisräten als „begleitetes Kaffeetrinken“ abqualifiziert werde,stößt nicht nur Alexander Sparhuber,Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes,bitter auf. Er wie auch seine Kollegen befürchtet,dass die ehrenamtlichen Strukturen wegbrechen,wenn sie nicht mehr fachlich begleitet werden.
Info:
Wie viele Menschen künftig keine Begleitung mehr erfahren könnten,darüber kann nur die Landkreisverwaltung Auskunft geben. Sie erhält jedes Jahr detaillierte Statistiken der jeweiligen Träger. „Warum werden diese Zahlen nicht veröffentlicht? Sie machen deutlich,wie viele Menschen im Landkreis betroffen sind“,fragt sich nicht nur Sascha Lutz.
PM DRK-Kreisverband Göppingen